Archiv für den Monat: Februar 2014

Ist die Schweizer Entscheidung unvernünftig? Über die List der Partizipation

Die mehrheitliche Schweizer Entscheidung zur Zuwanderungsbeschränkung von EU-Ausländern stösst auf viel Kritik. Ein interessantes Argument bei ZEIT-online zielt darauf ab, für mehr Bildung zu plädieren  – was unterstellt, dass man gegen diese Initiative sein muss, wenn man (genügend) gebildet ist. Deshalb sollte man schon daran erinnern: Bildung und Fremdenablehnung, Bildung und Rassismus haben früher zusammengepasst oder waren Carl Schmitt, Martin Heidegger und wie sie alle hiessen „ungebildet“? Bildung in solchen Kontexten anzuführen scheint mir eine Variante von Merkels „alternativlos“ und von Hegels „Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit“ zu sein. Tatsächlich aber geht es bei politischen Entscheidungen um Fragen wie: Wie will man leben, welche Werte hat man, welche Interessen? Die Worte, in denen das der Einzelne ausdrückt, mag sich nach dem Grad der Bildung unterscheiden, mehr aber auch nicht.
Was mir besonders aufschlussreich erscheint, ist die Tatsache, dass hier fast alle Parteien, Gewerkschaften und Wirtschaft gemeinsam gegen die Vorlage waren, aber sich trotzdem nicht durchsetzten konnten – analoge Ereignisse gibt es mittlerweile mehrfach auf kommunaler Ebene und Länderebene in Deutschland in unterschiedlichen Fragen: z.B. die Ablehnung in den betroffenen Gemeinden in Bayern, sich für Olympische Spiele zu bewerben. Schaut man sich dann die Argumente der überraschten Verlierer danach an, lassen sie erkennen, dass für sie ganz klar ist, dass die, die dagegen waren „Angst“ oder „Furcht“ hatten und man mit den eigenen Informationen nicht durchgedrungen sei. Kurzum: die Anderen haben eine ungebildete Entscheidung, aus dem Bauch heraus getroffen. Das verdeutlicht die unpolitische Herangehensweise der Eliten aus solchen Organisationshegemonien. Sie haben ihre eigenen Vorteile und Interessen so sehr zu objektiven Vernunftgründen rumphantasiert, das sie gar nicht mehr um politische Werte streiten – und genau damit wird die politische Frage nach der gewollten Lebensführung und der Ausgestaltung der dafür nötigen Rahmenbedingungen verfehlt.

Das ist die List der Partizipation: Sie bestraft unpolitische Eliten.

Energiewende, EEG-Reform und Engagementpolitik

Die Energiewende stellt insgesamt eine zentrale Schnittstelle für die Diskussion um bürgerschaftliches Engagement, Partizipation, gesellschaftlichen Wandel, ökonomisches Umsteuern und Zivilgesellschaft dar. Hier geht es nicht um die Nettigkeit Engagierter, auch das denunziatorische Gerede vom sogenannten Wutbürger geht an den meisten Akteuren selbst für Schlechtmeinende vorbei, sondern um eine grundlegende Auseinandersetzung um ökologische und wirtschaftliche Zukunfts- und Konkurrenzfähigkeit. Dabei sind die verschiedenen Teilhabe-Rollen der Bürger vielschichtig ineinder verschränkt und gleichermaßen ökonomisch, politisch und zivilgesellschaftlich bedeutsam . So greifen z.B. in den Bürgerenergie-Gesellschaften ökonomisches Eigeninteresse, Interesse an konkreter, nachhaltiger Umweltgestaltung und Selbstermächtigung häufig ineinander. Das ist eine trisektorale Durchdringungszone per excellence. Interessante Beiträge dazu finden sich im BBE-newsletter 2/2014. Dort werfen Trittin und Pau in etwas unterschiedlichen Worten der GroKo vor, den Bürgern die Energiewende zu entwenden, zugunsten der verschlafenen Energiegroßkonzerne. Weitere Beiträge aus dem politischen Raum dürften bald folgen.